,,Der Bedarf an Wasser steigt, auch wenn er pro Kopf sinkt"

Ringleitungssysteme statt Wassermehrentnahme in Holdorf für Egon Harms vom OOWV keine Alternative

Der Oldenburgisch- Ostfriesische Wasserverband (OOWV) will in Holdorf mehr Grundwasser fördern. Über die Alternativvorschläge der Holdorfer sprach Egon Harms, Bereichsleiter Gewässerschutz, mit Kerstin Köhne.

Frage: Statt der Wassermehrentnahme aus ihrem Wasserwerk schlagen die Holdorfer eine Erweiterung der Ringleitung vor. Wäre das eine Alternative?

Harms

Egon Harms
Harms: Nein. Dass alle Wasserwerke mit einer dicken Ringleitung verbunden sind, ist eine Ideal- Vorstellung. Die wäre mit enormen Kosten und enormem Aufwand verbunden. Und das für den extrem seltenen Fall eines Totalausfalls. In den 60 Jahren des OOWV ist es noch nicht vorgekommen, dass ein Wasserwerk total ausgefallen ist. Was vorkommt, sind elektrische Probleme. Die lassen sich innerhalb eines halben Tages beheben. Deshalb gibt es auch die großen Speicher, die immer frisch aufgefüllt werden.

Kommentar IGUVW: Spätestens seit Fukushima wissen wir, dass ein Restrisiko sehr große reale Folgen haben kann. In diesem Fall ist das Restrisiko keineswegs zu leugnen.

Frage: Wäre ein kleines Wasserwerk in rund 40 Kilometer Entfernung eine Alternative?
Harms: Das hört sich smart an. Aber wenn die Holdorfer wegen einer Mehrentnahme von zehn Prozent so sauer sind, fällt mir keine Ecke ein, wo man sagt: ,Hallo, macht das hier.' Man muss den Gesamtzusammenhang sehen. Die Region wächst wirtschaftlich, Neubaugebiet entstehen. Der Bedarf an Wasser steigt, auch wenn er pro Kopf sinkt. Beim OOWV liegt der Wasserverbrauch bei 115 Liter pro Tag und Einwohner. 125 Liter werden im Durchschnitt pro Tag und Einwohner im Bundesgebiet verbraucht.

Kommentar IGUVW: Eine Erhöhung von zehn Prozent hört sich lapidar an, ist aber nicht die ganze Wahrheit. Da die bisherige Entnahmemenge bis Ablauf des Wasserrechts nur mit jährlich 4,5 Mio. Kubikmetern genutzt wurde, zukünftig zumindest aber mittelfristig davon auszugehen ist, dass die gesamte beantragte Menge von 5,5 Mio. Kubikmetern auch genutzt wird, handelt es sich hier um eine tatsächliche Erhöhung von 22 Prozent. Da auch diese Menge laut Herrn Harms auf längere Zeit den Bedarf nicht decken kann und auch teilweise in anderen Landkreisen Erhöhungen der Fördermengen nicht durchsetzbar sind (Wildeshausen), besteht also nicht nur der Bedarf für ein kleines, sondern für mindestens ein mittleres, weiteres Wasserwerk. Der OOWV sollte die Planungen zügig vorantreiben und realisieren, um den Wasserbedarf decken zu können. Solange eine Wasserförderung – gleich in welcher Region – umweltverträglich gestaltet wird, spricht aus unserer Sicht nichts dagegen. Dazu gehört dann aber eben auch, dass Transparenz besteht und es eine gute Beweissicherung gibt. Laut Aussage des Dipl. Geologen Dr. Steinmetz ist eine Ausweitung der Fördermenge über 4,5 Mio. Kubikmeter bereits als sehr bedenklich anzusehen.

Frage: Der OOWV fördert einen Überschuss. Warum kann man den nicht nutzen?
Harms: Weil es solche Leitungen nicht gibt. Und das Wasserrecht lässt keine Überschüsse zu. Wo sie auftreten, gibt es neue Berechnungen. Für Holdorf gilt:
Ein Jenseits der Fördermenge von 5,5 Millionen Kubikmeter pro Jahr wird es nicht geben. Wir betreiben keine Salamitaktik.

Kommentar IGUVW: Dann wäre der OOWV gut beraten, solche Leitungen zu bauen. Ohnehin hat der OOWV Mitte der 80er Jahre bereits bewiesen, dass er in der Lage ist das Wasserwerk Holdorf um mindestens eine Menge von ca. 1,5 Mio. Kubikmetern zu entlasten und diese durch andere Wasserwerke zu ersetzen (Nitratproblematik im WW- Holdorf). Um die Fördermengen einzusehen klicken Sie hier. Im Umkehrschluss heißt das, dass die Verbundleitung vermutlich bereits heute dafür ausreicht.

Frage: Wie sieht ein Krisenplan aus, wenn ein Chemieunfall auf Holdorfer Gebiet geschieht?
Harms: Die Autobahn ist nach Richtlinien für Wasserschutzgebiete gebaut. Wenn es oben auf der A1 scheppert, läuft die Chemikalie die Böschung runter und wird dort aufgefangen und von der Feuerwehr eingesammelt. Selbst wenn ein Tanker die Böschung hinunter kippt, wird es keine fünf Tage dauern, bis man das entdeckt. Man würde den Boden abbaggern und diesen aus dem Schutzgebiet entfernen. Wasser versickert im Laufe eines Tages zehn Zentimeter tief und das ist schon ein hoher Wert. Es fließt mit wenig Geschwindigkeit ins Grundwasser. Hier wird ein Horrorszenario aufgebaut, das so nicht stimmt.

Kommentar IGUVW: Zunächst einmal die Behauptung „die Autobahn ist nach den Richtlinien für Wasserschutzgebiete gebaut“ Im damaligen Planfeststellungsverfahren für die A1 hat es der OOWV versäumt, Einwände geltend zu machen. So waren die einzigen uns bekannten Sicherungsmaßnahmen vom OOWV selbst zu tragen und wurden zur Auflage des Bewilligungsbescheids Nr. 19/1977. Hier heißt es:

„In dem Wassergewinnungsgebiet sind an der Westseite der Autobahn vom Antragsteller (OOWV) folgende bautechnische Schutzmaßnahmen durchzuführen:

  1. Eine Sohlenbefestigung des Autobahnseitengrabens, beginnend am südlichen Sohlabsturz – betrachtet vom Klärteich aus – bis zur nördlichen Grenze des Flurstücks 55/11.
  2. Im Bereich des Klärteichs wird eine 2m hohe Verwallung anschließend an den Autobahnseitengraben aufgesetzt.
  3. An Ende der Sohlenbefestigung des Autobahnseitengrabens ist ein Ölabscheider mit einer Sperrvorrichtung einzubauen.“

Diese Sicherungsmaßnahme ist unseres Wissens bis heute nur im Bereich des (ehem.) Klärteichs existent. In allen anderen Bereichen, in denen die A1 das Wassereinzugsgebiet durchquert, gibt es diese Schutzmaßnahmen bis heute nicht. Auch bei der Erweiterung der Rastanlage Dammer Berge sind unseres Wissens keine besonderen Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers getroffen worden, obwohl dieser Bereich voll im prognostizierten Wassereinzugsgebiet liegt.

Zur Sickergeschwindigkeit möchten wir folgendes zu bedenken geben:

Direkt neben der Autobahnunterführung in Grandorf versickert der Grandorfer Bach auf nur wenigen Metern völlig. Zumindest an dieser Stelle ist eine weit aus höhere Sickergeschwindigkeit zu beobachten. Eine ausgelaufene Chemikalie würde hier unweigerlich zur Verunreinigung des Grundwassers führen. Schutzmaßnahmen an der A1 haben wir hier vergeblich gesucht.

Frage: Was wären die Konsequenzen für den OOWV, wenn der Antrag vom Landkreis Vechta abgelehnt wird?
Harms: Damit setzen wir uns nicht auseinander. Und falls die Erhöhung doch versagt wird, ist der OOWV kompetent genug, Lösungen zu finden. Dass die Holdorfer ihre Einwände gemacht haben, ist richtig. Der Landkreis muss jetzt abwägen.

Kommentar IGUVW: Wir meinen, dass ein öffentlicher Wasserversorger unbedingt kompetent genug sein müsste, umweltverträgliche Lösungen zu finden. Und auf diesem Hintergrund sollte unserer Meinung nach der Landkreis entscheiden!

(Quelle: Oldenburgische Volkszeitung)

(Kommentare: IGUVW)

   
© www.IGUVW.de